Verdecktes Verkehrszeichen: Geblitzt in Brandenburg

Aus unserer Fallbearbeitung:

Tagtäglich erhalten unsere Rechtsanwälte für Verkehrsrecht Anfragen von Betroffenen, die geblitzt wurden. Oftmals handelt es sich um bereits bekannte Messstelle; teilweise aber auch um neue, die dann ganz besonders intensiv überprüft werden. Dass sich eine intensive Auseinandersetzung mit Messstellen lohnt, zeigt jüngstes Beispiel:

Anfrage über neue Messstelle

Im August 2017 gingen bei uns die ersten Anfragen über eine neue Messstelle auf der BAB 9 ein. Zunächst ein ganz gewöhnlicher Vorgang. Es handelte sich um eine Messstelle im Baustellenbereich. Die Geschwindigkeit sollte auf 60 km/h beschränkt sein. Die ersten Betroffenen meldeten sich mit Überschreitungen zwischen 80 km/h und 90 km/h und gaben übereinstimmend an, keine Beschränkung auf 60 km/h wahrgenommen zu haben. Wenige Stunden nach der ersten Anfrage folgten dutzende weitere Anfragen über diese Messstelle. Grund genug diese Messstelle genau unter die Lupe zu nehmen.

Ortsbesichtigung der Messstellen

Noch vor der Akteneinsicht in den laufenden Verfahren führten unsere Rechtsanwälte eine umfangreiche Ortsbesichtigung durch. Die Baustelle wurde mehrfach abgefahren, überprüft, gefilmt und ausgemessen. Unsere Rechtsanwälte stellten fest, dass die Geschwindigkeit kurz vor der Messstelle von zuvor 80 km/h auf 60 km/h reduziert wurde. Das Verkehrszeichen Z274 war vorhanden – allerdings nur einseitig. Das Verkehrszeichen befand sich rund 200 m vom Blitzer entfernt. Die Baustelle war in diesem Bereich zweispurig. Der Blitzer war in diesem Fall das Messgerät PoliScan Speed und war in einem Anhänger platziert. Dieser Blitzer-Anhänger war kurz zuvor noch im Baustellenbereich der A 10 bei Michendorf stationiert gewesen.

Akteneinsicht

Nach erfolgter Akteneinsicht in den ersten Verfahren stellten unsere Rechtsanwälte fest, dass über 5000 mal täglich geblitzt wurde. Der Messfilm wurde alle 4-5 Tage mit rund 25.000 (!) Verstößen ausgetauscht.

Nach Rücksprache mit unseren Mandanten wurde recht schnell klar, dass alle Fälle eine Gemeinsamkeit hatten. Alle befuhren hier als Überholer den linken Fahrstreifen und fuhren so an den langsam fahrenden LKW auf der rechten Spur vorbei. In einem solchen Fall drängte sich schließlich auf, dass das Verkehrszeichen, welches hier auch nur einseitig und nur einmalig vor der Messstelle aufgestellt war, übersehen werden musste. Dies deckte sich auch mit den Erkenntnissen aus der durchgeführten Ortsbesichtigung. Für die Mandanten, die das Verkehrszeichen aufgrund der LKWs auf der rechten Spur nicht sehen konnten, entfaltete dieses Verkehrszeichen auch keine Wirkung.

Verdecktes Verkehrszeichen ist nicht wirksam

Der Verkehrsteilnehmer muss die Anordnung des Verkehrszeichens ohne weitere Überlegung eindeutig erfassen können (vgl. OVG Münster, NJW 2005, 1142, BGH NJW 1966, 1456). Dieses Erfordernis gilt nicht nur bei der erstmaligen Anbringung, sondern damit die Gebote und Verbote fortdauernd die ihnen zugedachte Wirkung haben, muss ihre ausreichende Erkennbarkeit gewahrt und erhalten werden. Werden Verkehrsregelungen aufgrund von Abnutzung oder Witterungsbedingungen derart unkenntlich, dass die Erkennbarkeit im o.g. Sinne nicht mehr vorhanden ist, so verlieren sie ihre Wirksamkeit. Dies gilt gleichermaßen, etwa wenn eine Markierung abgenutzt ist oder ein Schild völlig verschneit ist oder wenn aufgrund von Zweigen bzw. Gebüsch in der Nähe des Verkehrszeichens eine Wahrnehmbarkeit im o.g. Sinne nicht mehr gegeben ist (Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 30.09.2010 – III-3 RBs 336/09). Gleiches gilt, wenn das Verkehrszeichen temporär verdeckt war.

Einstellung der Bußgeldverfahren

Jedes einzelne Bußgeldverfahren gegen unsere Mandanten wurde nach umfangreicher Einlassung von der Zentralen Bußgeldstelle Gransee eingestellt. Ohne Einspruch gegen das Bußgeldverfahren wären die Verstöße allesamt rechtskräftig geworden. Dies hätte zu einem Bußgeld und zum Eintrag von einem oder zwei Punkten in das Fahreignungsregister geführt.

Der Landesbetrieb für Straßenwesen hat die Beschilderung aufgrund der kurzen Verweildauer der Baustelle nicht mehr verändert. Eine beidseitige Beschilderung hätte wohl vorliegend zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit beigetragen. Allerdings ist insbesondere in engen Baustellenbereichen eine beidseitige Beschilderung nicht immer möglich.

Aufgrund der Beschilderungsproblematik war eine Überprüfung des Messwertes nicht mehr erforderlich, obschon Messungen mit dem Messgerät PoIiScan Speed mittlerweile vollumfänglich ausgewertet und überprüft werden können. Aus unserer Sicht sollten Messungen mit dem Messgerät PoliScan Speed stets überprüft werden.

Überprüfung von Messungen

Zwar ist nicht jede Beschilderung fehlerhaft und nicht jede Messung falsch; allerdings lohnt eine Überprüfung in der Regel immer, wenn eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 21 km/h vorgeworfen wird und damit ein Eintrag eines Punktes in das Fahreignungsregister droht; erst recht wenn ein Fahrverbot anordnet wird. Die Kosten trägt in der Regel die Rechtsschutzversicherung.

Nutzen Sie die kostenlose Ersteinschätzung unserer Rechtsanwälte für Verkehrsrecht

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Thomas Brunow – Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in Berlin Mitte – Kanzlei Prof. Dr. Streich & Partner, Eichendorffstraße 14, 10115 Berlin Mitte. Tel.: 030/226357113