Verkehrsrecht 04-2024

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 04/2024:

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Verkehrsrecht

Sorgfaltspflicht: Haftung bei Anfahren vom Straßenrand

| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Bei einem Unfall, der in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Einfahren von einer Parkbucht in den Straßenverkehr stattfindet, gilt das einfahrende Fahrzeug als Verursacher, wenn eine weitere Aufklärung nicht möglich ist. |

Der Fahrer eines zuvor in einer Parkbucht am Straßenrand stehenden Fahrzeugs ist mit diesem in den Straßenverkehr eingefahren. Hierauf kam es zu einer Kollision mit einem dort in gleicher Richtung fahrenden Wagen. Über den Unfallhergang machten die Beteiligten jeweils unterschiedliche Angaben.

Das AG hat entschieden, dass der Verkehrsunfall vollständig von dem einfahrenden Fahrzeug verursacht wurde. Zwar ließ sich das Geschehen überwiegend nicht mehr aufklären, allerdings habe derjenige, der vom Straßenrand in den Verkehr einfährt, nach der Straßenverkehrsordnung besonders darauf zu achten, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet.

Aufgrund der zeitlichen und örtlichen Nähe des Unfallgeschehens zu dem Einfahren des parkenden Fahrzeugs in den Straßenverkehr bestehe daher der Anschein, dass dessen Fahrer nicht ausreichend auf den Verkehr geachtet und somit den Unfall herbeigeführt habe. Dafür spreche zudem, dass seine Version des Unfallgeschehens, er sei bereits einige Zeit auf der Straße gefahren, mit dem Schadensbild nicht in Einklang zu bringen sei. Zudem habe der Fahrer selbst erklärt, das andere Fahrzeug erst durch den Anstoß bemerkt zu haben, was darauf hinweise, dass er das Verkehrsgeschehen beim Losfahren von dem Parkplatz nicht ausreichend beobachtet habe.

Quelle | AG Hanau, Urteil vom 5.6.2023, 39 C 329/21 (19)

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Anscheinsbeweis: „Abgewürgter“ Fahrschulwagen: Wer haftet bei einem Auffahrunfall?

| Auch wenn der Fahrschüler den Fahrschulwagen „abwürgt“: Wer auffährt, haftet. Das meint jedenfalls das Amtsgericht (AG) Sigmaringen. |

Haftungsgrundsätze auch bei Fahrschulwagen gültig

Der Fehler des Fahrschülers ändert nichts am Anscheinsbeweis, dass der Auffahrende entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat, unaufmerksam war oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist.

„Fahrschule“-Schild: Erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich

Die Ausstattung des Fahrschulwagens mit dem „Fahrschule“-Schild erhöht die Sorgfalts- und Aufmerksamkeitspflichten der übrigen Verkehrsteilnehmer. Die Betriebsgefahr des Fahrschulwagens wird in dieser Situation dadurch vollständig verdrängt.

Quelle | AG Sigmaringen, Urteil vom 6.11.2023, 1 C 32/23, Abruf-Nr. 238611 unter www.iww.de

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Autobahnunfall: LKW-Ladung muss man ordnungsgemäß sichern

| Wer vorausschauend handelt, vermeidet später Nachteile, so könnte das Fazit einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Lübeck lauten. Im vorliegenden Fall verlor ein LKW auf der Autobahn mangelhaft gesicherten Stahlschrott. |

Lösten sich Teile vom Lkw?

Der Kläger fuhr mit seiner Ehefrau in seinem Auto auf der Autobahn. Vor ihm befand sich ein mit Stahlschrott beladener Lkw. Als sich der Kläger relativ nah am Lkw befand, fuhr dieser über eine Bodenwelle. Dadurch seien plötzlich mehrere kleine Gegenstände und Teile aus dem Lkw herausgefallen und hätten sein Auto getroffen, so der Kläger. Am Wagen sei ein erheblicher Schaden entstanden. Der Kläger verlangte deshalb den Schaden von der Halterin des LKW und deren Versicherung ersetzt.

Die Beklagten bezweifeln den vom Kläger geschilderten Sachverhalt: An dem besagten Tag sei mit dem LKW nur Stahlschrott transportiert worden. Wenn der sich gelöst hätte, hätte der Schaden am Auto ganz anders ausgesehen. Die Schäden am Wagen des Klägers seien nicht durch den Unfall verursacht worden.

Landgericht glaubte Kläger

Das LG hat die Beklagten jedoch trotzdem zur Zahlung verurteilt. Es folgte dabei der Darstellung des Klägers. Dieser habe detailliert geschildert, wo und wann sich Teile gelöst hätten und auf seinem Wagen eingeschlagen seien. Die Ehefrau des Klägers habe bestätigt, dass die Einschläge sehr laut waren. Sie habe sich intuitiv geduckt und dann erst von ihrem Handy hochgesehen und den Lkw bemerkt. Der Fahrer selbst habe zur Aufklärung wenig beitragen können, da er den Unfall gar nicht bemerkt habe.

Aber: Unfallpauschale reduziert

Einziger Wermutstropfen für den Kläger: Er bekam die von ihm geltend gemachte Unfallpauschale in Höhe von 25 Euro nur anteilig erstattet. Die Argumentation des Gerichts: Die Pauschale werde vor allem für höhere Kosten durch den Zeitaufwand nach dem Unfall sowie für die Telefon- und Internetkosten zugesprochen. Dies sei nicht mehr angemessen, da heutzutage fast jeder eine Telefon- und Internetflatrate habe und daher bei Anrufen nichts extra zahle. Folglich reduzierte das Gericht die Pauschale auf 20 Euro.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | LG Lübeck, Urteil 19.12.2023, 10 O 38/23, PM vom 8.2.2024

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Medizinisch-psychologische Untersuchung: MPU nur bei wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss

| Wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss, die die Aufforderung rechtfertigen, ein medizinisch-psychologischen Gutachten beizubringen, liegen nur vor, wenn der Betroffene in mindestens zwei vom äußeren Geschehensablauf her eigenständigen Lebenssachverhalten je eine oder mehrere solche Zuwiderhandlungen begangen hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |

Unfall und Unfallflucht

Die Klägerin begehrt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Wegen in Tatmehrheit im Sinne des Strafgesetzbuchs begangener fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr sowie vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort hatte sie das Amtsgericht (AG) rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt und ihr die Fahrerlaubnis entzogen. Nach den Feststellungen im Strafurteil fuhr die Klägerin im April 2015 mit ihrem PKW in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand (Blutalkoholkonzentration von 0,68 Promille) auf den Parkplatz eines Supermarkts. Nach dem Einkauf parkte sie rückwärts aus und fuhr dabei auf einen hinter ihrem Fahrzeug stehenden PKW auf. Sie stieg aus und begutachtete den entstandenen Schaden. Anschließend fuhr sie in ihre Wohnung zurück, ohne die erforderlichen Unfallfeststellungen treffen zu lassen.

Als die Klägerin im März 2018 beim Beklagten die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragte, forderte er von ihr die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Sie habe im April 2015 wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen, die Zweifel an ihrer Fahreignung begründeten. Zwischen den beiden Fahrten liege mit dem Aussteigen aus dem Fahrzeug und der Begutachtung des Schadens eine Zäsur. Da die Klägerin das Gutachten nicht beibrachte, lehnte der Beklagte die Fahrerlaubniserteilung ab.

Nur eine Trunkenheitsfahrt nicht zwei

Das Verwaltungsgericht (VG) hatte ihre Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat diese Entscheidung geändert und den Beklagten zur Erteilung der Fahrerlaubnis verpflichtet. Bei dem Geschehen im April 2015 habe es sich nicht um wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gehandelt. Das setze voraus, dass es bei natürlicher Betrachtungsweise zu mindestens zwei deutlich voneinander abgrenzbaren Trunkenheitsfahrten gekommen sei. Bei dem Ausparkunfall nebst Aussteigen und Betrachten der Fahrzeuge habe es sich nur um eine kurzzeitige Unterbrechung gehandelt, die auch in der Gesamtbetrachtung mit der vorherigen Fahrtunterbrechung für den Einkauf keinen neuen und eigenständigen Lebenssachverhalt begründet habe.

Die vom Beklagten gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Das OVG hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin im April 2015 nicht wie das Gesetz (hier: § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV)) voraussetzt wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hat. Das ist nur dann der Fall, wenn der Betroffene in mindestens zwei vom äußeren Geschehensablauf her eigenständigen Lebenssachverhalten je eine oder mehrere solche Zuwiderhandlungen begangen hat.

Trunkenheitsfahrt und Unfallflucht: einheitlicher Geschehensablauf

Auch wenn eine Trunkenheitsfahrt nach einem alkoholbedingten Unfall in Kenntnis der eigenen Fahruntüchtigkeit fortgesetzt wird, kann ein einheitlicher Geschehensablauf vorliegen. Im Fall der Klägerin ist die Annahme des OVG nicht zu beanstanden, dass die Trunkenheitsfahrt, die unfallbedingt nur für wenige Minuten unterbrochen war, einen einheitlichen Lebenssachverhalt darstellt.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 14.12.2023, 3 C 10.22, PM 94/23

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Abschließende Hinweise

Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2024 bis zum 30. Juni 2024 beträgt 3,62 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 8,62 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 12,62 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 11,62 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.07.2023 bis 31.12.2023

3,12 Prozent

01.01.2023 bis 30.06.2023

1,62 Prozent

01.07.2022 bis 31.12.2022

-0,88 Prozent

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

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Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 04/2024

| Im Monat April 2024 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer: 10.04.2024
  • Lohnsteuer: 10.04.2024

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 15.04.2024. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat April 2024 am 26.04.2024.

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