Geblitzt: Fahrverbot

Das OLG Hamm hatte sich mit der Frage beschäftigt, ob vom Fahrverbot ausnahmsweise abgesehen werden könnte, wenn der Betroffene die Geschwindigkeit aufgrund akuter Blasenschwäche überschreitet. Das OLG Hamm ist in seiner Entscheidung vom 10.10.2017 (4RBs 326/17) der Auffassung, dass diese Frage, ob vom Fahrverbot abgesehen werden könnte, der Bußgeldrichter im Einzelfall zu entscheiden hat.

Der Betroffene hatte im konkreten Fall die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 29 Km/h überschritten.  Die Bußgeldbehörde verhängte ein Bußgeld in Höhe von 80 € und ordnete ein Fahrverbot von einem Monat an, da der Betroffene bereits vier Monate zuvor eine Geschwindigkeitsüberschreitung von über 25 km/h begangen hatte und diese rechtskräftig war.

Der Betroffene trug vor, dass er nach einer Prostataoperation über eine sehr eingeschränkte Kontinenz verfüge. Während der Fahrt verspürte er einen starken und schmerzhaften Harndrang. Er habe sich sodann völlig darauf konzentriert, rechts ranfahren zu können. Aufgrund des dichten Verkehrs hatte er hierzu keine Gelegenheit gehabt. Das zuständige Amtsgericht sah in diesem Vortrag keinen Grund, vom angeordneten Fahrverbot abzusehen.

Mit der eingelegten Rechtsbeschwerde hatte der Betroffene zumindest vorläufig Erfolg. Das OLG Hamm hob das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück.

Fahrverbot: Urteilsgründe nicht ausreichend

Das Oberlandesgericht war der Auffassung, dass die Begründung des Urteils mangelhaft sei. In der Rechtssprechung sei anerkannt, dass ein sehr starker Drang zur Verrichtung der Notdurft, der durch eine körperliche Disposition des Betroffenen bedingt und der ursächlich für einen Geschwindigkeitsüberschreitung sei, einen Grund darstellen könne, vom Regelfahrverbot abzusehen. Es handele sich jedoch hierbei nicht um den Regelfall, sondern um eine Ausnahme. Die körperliche Verfassung für sich reiche noch nicht aus, da der Betroffene in diesem Fall einen Freibrief für pflichtwidriges Verhalten hätte. Ein Betroffener mit entsprechenden Leiden müsse seine Fahrt entsprechend planen und ggf. Staus etc. mit einkalkulieren. Überdies muss dieser Betroffene entsprechende Vorkehrungen treffen und auf anfänglich auftretenden Harndrang unverzüglich reagieren. Der Bußgeldrichter dagegen muss sich mit diesen Argumenten auseinandersetzen und diese würdigen. Dies war in der vorliegenden Sache nicht der Fall gewesen. Bei einer erneuten Verhandlung muss der Tatrichter die Umstände berücksichtigen, unter denen sich der Betroffene zu der Fahrt entschlossen hat. Der Bußgeldrichter muss klären, wie der Betroffene auf seinen Harndrang reagieren konnte. Überdies muss der Bußgeldrichter prüfen, ob der Betroffene häufiger in eine solche Situation gerät.  „In diesem Fall müsse er sich hierauf entsprechend einstellen. Es würde das Maß seiner Pflichtwidrigkeit geradezu erhöhen, wenn er gleichwohl ein Fahrzeug führe, obwohl er wegen quälenden Harndrang so „abgelenkt“ gewesen sei, dass er die zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht mehr habe beachten können.“

Ob sodann vom Fahrverbot abgesehen werden könnte, hat der Bußgeldrichter abschließend zu entscheiden.

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