Verkehrsrecht 01-2023

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 01/2023:

Verkehrsrecht

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Verkehrsrecht

Nutzungsausfallentschädigung: Porsche-Fahrer muss mit Ford Mondeo als Mietwagen zurechtkommen

| Ist einem Unfallgeschädigten während der Reparaturzeit des beschädigten Fahrzeugs die Nutzung eines Zweitwagens möglich und zumutbar, besteht kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung gegen den Schädiger. Bei Beschädigung eines Porsche 911 ist die Nutzung eines Ford Mondeo als Mietwagen für Stadt- und Bürofahrten zumutbar. Die damit verbundene Einschränkung des Fahrvergnügens stellt einen immateriellen und damit nicht ersatzpflichtigen Schaden dar, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |

Das war geschehen

Das Fahrzeug des Klägers, ein Porsche 911, wurde bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Der Beklagte haftete für den Schaden vollumfänglich. Der Beklagte glich einen Teil des geltend gemachten Schadens aus. Mit seiner Klage begehrt der Kläger u.a. Ausgleich der verbliebenen Differenz zu den tatsächlich entstandenen Reparaturkosten und Nutzungsentschädigung für 112 Tage Reparaturzeit.

Privater Fuhrpark war vorhanden

Der Kläger verweist darauf, dass ihm die Nutzung eines anderen Fahrzeugs nicht möglich bzw. nicht zumutbar gewesen sei. Ihm gehörten zwar noch weitere vier Fahrzeuge. Zwei davon würden jedoch von Familienangehörigen genutzt. Ein weiteres käme nicht in Betracht, da es in besonderer Weise für Rennen ausgestattet sei. Das vierte Fahrzeug, ein Ford Mondeo, sei für den Stadtverkehr zu sperrig und werde von der ganzen Familie lediglich als Lasten- und Urlaubsfahrzeug genutzt.

So argumentierten die gerichtlichen Instanzen

Das Landgericht (LG) hatte der Klage hinsichtlich der Reparaturkosten stattgegeben und die Ansprüche auf die geltend gemachte Nutzungsentschädigung zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Zwar umfasse der zu ersetzende Schaden bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich auch den Wegfall der Nutzungsmöglichkeit dieses Fahrzeugs. Ein Geschädigter, der darauf verzichte, ein Ersatzfahrzeug zu mieten, solle nicht schlechter gestellt werden als der, der einen Mietwagen in Anspruch nehme.

Gericht: Es stand ein geeignetes Fahrzeug zur Verfügung

Ein solcher Anspruch entfalle jedoch, wenn der Einsatz eines Zweitwagens möglich und zumutbar sei. Vorliegend hätte der Kläger den Ford Mondeo für die Fahrten zur Arbeit und zu Privatfahrten nutzen können. Ohne Erfolg verweise der Kläger dabei auf die „Sperrigkeit“ dieses zur Mittelklasse gehörenden und für den Stadtverkehr geeigneten Fahrzeuges. Der materielle Vermögensschaden durch den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Porsche 911 werde damit objektiv durch die Möglichkeit der Nutzung des Ford Mondeo ausgeglichen.

Beschränkung des Fahrvergnügens: immaterielle Beeinträchtigung

„Dass es sich bei dem beschädigten Fahrzeug, einem Porsche 911, mithin einem Sportwagen, aufgrund seiner Motorisierung, Fahrleistung und Ausstattung um ein Fahrzeug aus dem deutlich gehobenen Marktsegment handelt, während es sich bei dem Ford Mondeo lediglich um ein Mittelklassefahrzeug handelt, führt nicht zur Unzumutbarkeit der Nutzung des Ford Mondeo,“ betonte das OLG weiter. Die notwendige Nutzung des Ford Mondeo anstelle des Porsche 911 führe „lediglich zu einer Beschränkung des Fahrvergnügens“. Diese Beschränkung stelle allein eine in einer subjektiven Wertschätzung gründende immaterielle Beeinträchtigung dar und sei nicht vom Schädiger zu erstatten. Anderenfalls bestünde die Gefahr, die Ersatzpflicht des Schädigers entgegen den gesetzlichen Wertungen auf Nichtvermögensschäden auszudehnen.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.7.2022, 11 U 7/21, PM 72/22

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Betriebsgefahr: Rettungswagen im Einsatz: Bei Unfall Schmerzensgeld möglich

| Rettungswagen sollen Leib und Leben von Menschen retten und schützen. Manchmal kann es bei einem Einsatz aber auch zu Personenschäden kommen. So geschah es in einem vom Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschiedenen Fall, in dem das OLG den Rettungsdienst verurteilte, Schmerzensgeld zu zahlen. |

Der Fahrer eines Rettungswagens wollte bei einem Einsatz mehrere Radfahrer überholen, darunter die Klägerin. Das Martinshorn war eingeschaltet. Es gab insgesamt nur wenig Platz. Die 72-jährige Klägerin wollte in dieser Situation absteigen und kam dabei zu Fall. Zu einer Kollision war es nicht gekommen. Die Frau brach sich den Fußknöchel und musste zwei Wochen einen Gipsverband tragen sowie im Anschluss noch zwei Monate einen speziellen Strumpf.

Das Landgericht (LG) hatte eine Haftung des Rettungsdienstes abgelehnt. Mit ihrer Berufung hatte die Klägerin vor dem OLG Erfolg. Dieses entschied: Bei dem Vorfall habe sich die sog. „Betriebsgefahr“ des Rettungswagens realisiert, also die typischerweise einem Kfz beim Betrieb innewohnende Gefahr. Dies gelte, auch wenn es nicht zu einer Kollision gekommen sei. Denn der Rettungswagen habe dennoch zu dem Unfall beigetragen, indem er das Ausweichmanöver und das Absteigen der Klägerin veranlasst habe. Ein Schaden sei bereits dann „beim Betrieb“ eines Kfz entstanden, wenn sich die von dem Kfz ausgehende Gefahr überhaupt ausgewirkt habe. Das sei hier der Fall. Die Klägerin habe die Verkehrslage zu Recht als gefährlich empfunden und sei deswegen abgestiegen.

Das OLG hat die Betriebsgefahr mit 20% Haftungsquote bewertet und der Radfahrerin ein Schmerzensgeld von 2.400 Euro zugesprochen. Darüber hinaus erhält sie auch ihren materiellen Schaden zu 20% ersetzt, ebenso wie die Kosten für ihren Rechtsanwalt.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 17.5.2022, 2 U 20/22, PM vom 27.9.2022

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Hilfsbereitschaft: Gerissenes Abschleppseil: Wer gezogen wird, haftet

| Bei einem privaten Abschleppvorgang aus Hilfsbereitschaft riss die Abschleppöse beim gezogenen Fahrzeug ab. Infolge der Spannung schleuderte das Seil nach vorn und beschädigt das ziehende Fahrzeug. Wer muss in einem solchen Fall den Schaden begleichen? Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Regensburg entschieden. |

Im Rechtsstreit ließ sich auch unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen nicht mehr klären, warum die Abschleppverbindung gerissen ist. Ein Fehler des einen oder des anderen Fahrers hatte weder eine Partei vorgetragen noch nachgewiesen.

Das AG sah keine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Die Risiken eines solchen Vorgangs seien viel zu groß, als dass man von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis ausgehen könne. Weil beide Fahrer angaben, der Abschleppvorgang sei normal verlaufen, es sei insbesondere nicht zu heftig angefahren worden, ordnete das Gericht den Schadeneintritt für den Ziehenden als ein unabwendbares Ereignis ein. So blieb nur die Betriebsgefahr des geschleppten Fahrzeugs. Das überraschende Ergebnis: 100 Prozent Haftung zulasten des gezogenen Fahrzeugs.

Quelle | AG Regensburg, Urteil vom 21.7.2022, 9 C 56/22, Abruf-Nr. 231203 unter www.iww.de

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Schadenersatz: Mietwagenkosten und Verzögerung: Wer trägt das Risiko?

| Der Schädiger bzw. die hinter ihm stehende Haftpflichtversicherung trägt das Risiko von Zeitverzögerungen. Es ist allein deren Aufgabe, möglichst zügig zu entscheiden, um nicht unnötige Kosten zu produzieren. Dies hat das Amtsgericht (AG) Halle (Saale) im Streit um Mietwagenkosten klargestellt. |

Der Versicherer hatte wenige Tage länger für die Zusage der Haftung dem Grunde nach gebraucht. Die Reparatur begann erst danach. Der Versicherer meint, weil er ein Recht zur Prüfung habe, könne diese Verzögerung nicht zu seinen Lasten gehen. Der Geschädigte müsse daher entweder sofort die Reparatur einleiten oder die Mietwagenkosten für die Wartezeit selbst zahlen.

Das machte das AG nicht mit. Wie schon der Bundesgerichtshof (BGH) hat es gegen den Versicherer entschieden. Folge: Der Geschädigte musste nicht in Vorleistung treten. Der Schädiger bzw. der hinter dem Schädiger stehende Versicherer trägt das Risiko von Zeitverzögerungen, so das AG. Zweifellos habe der Versicherer das Recht, die Haftung zu prüfen. Der dafür benötige Zeitrahmen gehe aber nicht zulasten des Geschädigten.

Quelle | AG Halle/Saale, Urteil vom 23.8.2022, Az. 97 C 509/22, Abruf-Nr. 231305 unter www.iww.de

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Schadensminderungspflicht: Fünf-Tage-Reparatur am fahrfähigen Fahrzeug

| Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Reparatur an einem Montag beginnt, damit keine Verlängerung über das Wochenende zu zwei zusätzlichen Mietwagentagen führt. Dies hat das Amtsgericht (AG) Geestland jetzt entschieden. |

Das verunfallte Fahrzeug war noch nutzbar. Die Reparatur sollte laut Gutachten fünf Tage dauern. So geschah es auch. Aber: Mit einem Wochenende wurden sieben Ausfalltage daraus.

Nach Ansicht des AG liegt es nicht in der Hand der Geschädigten, wann Reparaturkapazitäten in der Werkstatt zur Verfügung stehen. Reparaturtermine würden durch die dortigen Abläufe bestimmt; eine freie Terminwahl des Kunden bestehe regelmäßig nicht. Der Versicherer werde nicht ernsthaft behaupten wollen, dass Reparaturwerkstätten ab mittwochs nur noch Kurz- und am Freitag nur noch einen Tag dauernde Reparaturen anbieten dürfen, damit Geschädigte ihrer Schadensminderungspflicht genügen könnten.

Quelle | AG Geestland, Urteil vom 29.7.2022, 3 C 167/22, Abruf-Nr. 230687 unter www.iww.de

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