Kein Rotlichtverstoß trotz Überfahren der roten Ampel

Ein Rotlichtverstoß liegt nach §§ 49 Abs. 3 Nr. 2, 37 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 StVO vor, sobald der Kraftfahrer das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage missachtet hat. Ein Rotlichtverstoß ist jedoch nicht gegeben, wenn der Kraftfahrer die Ampel zwar bei Rotlicht passiert hat, er aber noch vor dem eigentlichen Schutzbereich, z.B. der Kreuzung, anhält (BGH NZV 98, 119, 120; OLG Celle zfs 97, 355). In diesem Fall handelt es sich nur um einen Verstoß gegen §§ 41 Abs. 3 Nr. 2 (Zeichen 294), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO. Nun sollte man meinen, dass insbesondere fest installierte Rotlichtüberwachungskameras nur „richtige“ Rotlichtverstöße registrieren. AmpelblitzerIn der Regel werden von einem Rotlichtblitzer mindestens zwei Bilder gefertigt. Zunächst wird geblitzt, sobald das Fahrzeug die Haltelinie überfahren hat (je nach Lage der in der Fahrbahn eingelassenen Sensoren). Ein zweites Foto erfolgt in der Regel im Kreuzungsbereich. Was aber, wenn die zweite Aufnahme das Fahrzeug noch deutlich vor dem Schutzbereich zeigt?

 

Schutzbereich hinter der roten Ampel nicht erreicht

Das nebenstehende Foto war das zweite und letzte der Rotlichtmessung. Ganz offensichtlich hat das Fahrzeug hier die Haltelinie deutlich überfahren. Die Fahrzeuge im Hintergrund befinden sich exakt an der Haltelinie und standen auch schon im Foto 1 an dieser Stelle.  Das Fahrzeug des Betroffenen befindet sich noch deutlich vor dem Schutzbereich (Kreuzung/ ein Fußgängerüberweg war hier ebenfalls nicht vorhanden). Spätestens nach Einsicht in den Lageplan wird deutlich, dass erst bei Überfahren der grob gestrichelten Linie der Schutzbereich erreicht wird. Damit liegt streng genommen kein Rotlichtverstoß vor. Für den Betreiber (Bußgeldstelle) der Rotlichtüberwachungsanlage bedeutet dies jedoch, daAmpelblitzss der Rotlichtblitzer überhaupt nicht in der Lage ist, einen Rotlichtverstoß festzustellen. Die Bußgeldbehörde stellte das Verfahren nach entsprechendem Vortrag trotzdem nicht ein, so dass das Amtsgericht dieser Stadt am Bodensee entscheiden musste. Die Richterin beauftragte hier jedoch zunächst einen Sachverständigen. Dieser sollte ermitteln, dass aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeit auszuschließen ist, dass der Betroffene noch vor dem Schutzbereich anhalten konnte. Der Sachverständige stellte jedoch fest, dass es durchaus – wenn auch knapp – möglich war, dass der Betroffene vor dem Schutzbereich angehalten hat. Mit einer unterstellten Vollbremsung wäre dies möglich gewesen. Trotz dieser Feststellung verurteilte die Richterin den Betroffenen zu einer Geldbuße nebst Fahrverbot (qualifizierter Rotlichtverstoß). Das Urteil wurde sodann selbstverständlich mündlich begründet. Die Richterin erklärte, dass feststehe, dass der Betroffene den Schutzbereich erreicht hatte, denn eine Bremsung – insbesondere Vollbremsung – sei weder vorgetragen  noch nachgewiesen. Auch die übrigen Umstände – wie der Gesichtsausdruck (bremsende Kraftfahrer haben offensichtlich einen ganz markanten Gesichtsausdruck) sprächen nicht für eine Vollbremsung. Gegen die Entscheidung wurde Rechtsbeschwerde eingelegt. Seitdem warten wir gespannt auf die schriftliche Urteilsbegründung. 

Aber auch in Berlin finden wir immer wieder Aufnahmen, die für sich genommen noch keinen Verstoß beweisen. Nebenstehende Aufnahme zeigt eineAmpelblitz Berlin Messung mit der Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachungsanlage PoliScan F1 HP. Bei dem Foto handelt es sich ebenfalls um die Aufnahme 2 von 2. Auch hier steht das Fahrzeug noch deutlich vor dem Schutzbereich, so dass zunächst eine Ermittlung der Geschwindigkeit und sodann des exakten Abstandsdes Fahrzeugs zum Schutzbereich erforderlich ist, um überhaupt einen Rotlichtverstoß nachzuweisen. Ohne weitere Ermittlungen ist das Beweismaterial nicht geeignet, den Tatvorwurf zu begründen.

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