Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 08/2024:
Verkehrsrecht
- Schadenersatzanspruch: Auch für alte Kleinwagen gibt es eine Nutzungsausfallentschädigung
- Geschwindigkeitsmessung: Bußgeld Softwareveränderung beim standardisierten Messverfahren
- Mittäterschaft: Straßenverkehrsgefährdung ist auch durch Mitfahrer möglich
- Bußgeld: Wichtig: Selbstbeherrschung (nicht nur) im Straßenverkehr
- Vorfahrtverletzung: Wenn der Rennradfahrer auf der Straße fährt…
Abschließende Hinweise
Verkehrsrecht
Schadenersatzanspruch: Auch für alte Kleinwagen gibt es eine Nutzungsausfallentschädigung
| Ist ein Fahrzeug mehr als fünf Jahre alt, stuft das Amtsgericht (AG) Aue-Bad Schlema die Nutzungsausfallentschädigung um eine und bei mehr als zehn Jahren um zwei Gruppen ab. |
So rechnete das Amtsgericht
Wenn ein ca. 15 Jahre alter Kleinwagen mit ca. 194.000 km Laufleistung, der ohne Altersabstufung in die Gruppe B gehört, betroffen ist, wird jedoch nur eine Gruppe abgestuft. Denn tiefer geht es nicht. So gab es im vom AG entschiedenen Fall einen Tagessatz von 23 Euro.
Der Versicherer hatte nur minimale Vorhaltekosten erstattet. Das lehnt das Gericht ab. Denn das komme nur in Betracht, wenn ein Fahrzeug nicht nur alt, sondern in einem so schlechten Zustand ist, dass seine Nutzbarkeit deutlich eingeschränkt ist.
Entgangene Fortbewegungsmöglichkeit
Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass sich hinter den Vorhaltekosten letztlich kaum mehr als die Fixkosten wie Steuern, Versicherung etc. verbergen, es sich hierbei also um einen weitaus geringeren Betrag handelt. Mit zunehmendem Fahrzeugalter spiele letztlich nur die entgangene Fortbewegungs- und Transportmöglichkeit eine Rolle. Allein aufgrund des Alters des Fahrzeugs könne daher nicht ohne Weiteres von einer weiteren Einschränkung des Nutzungswerts bis zum Betrag von Vorhaltekosten ausgegangen werden.
Quelle | AG Aue-Bad Schlema, Urteil vom 28.2.2024, 3 C 241/23, Abruf-Nr. 240245 unter www.iww.de
Geschwindigkeitsmessung: Softwareveränderung beim standardisierten Messverfahren
| Oft sind Geschwindigkeitsmessungen angreifbar. In einem Fall des Kammergerichts (KG) Berlin ging es darum, welche Folgen eine Veränderung der Software des Messgeräts hatte. |
Das KG stellt fest: Wird bei der konkreten Messung mit dem Geschwindigkeitsmessverfahren Poliscan FM1 mit der Softwareversion 4.4.9. der Messbereich eine sog. Hilfsgröße nicht erfasst, wird das Messergebnis dadurch nicht unverwertbar. Gleiches gilt, wenn die Rohmessdaten nicht gespeichert werden. Wird die Gerätesoftware verändert, entfällt dadurch in der Regel nicht die Standardisierung. Der Betroffene hat weder einen einfachgesetzlichen noch einen verfassungsrechtlich verankerten Anspruch darauf, dass die Beweismittel hier: die Erfassung von Messgrößen im Messbereich generiert werden.
Auch die mit der aktualisierten Gerätesoftware gewonnenen Messdaten unterliegen keinem (ungeschriebenen) Beweisverwertungsverbot. Ein solches käme nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Rechtsverstößen in Betracht, bei denen grundrechtliche Sicherungen planmäßig oder systematisch unberücksichtigt geblieben sind. Bußgeld
Quelle | KG, Beschluss vom 8.12.2023, 3 ORbs 229/23, Abruf-Nr. 240271 unter www.iww.de
Mittäterschaft: Straßenverkehrsgefährdung ist auch durch Mitfahrer möglich
| Ein sog. „verkehrsfeindlicher Inneneingriff“, der zur Annahme eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr führt, kann auch durch einen Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs in Mittäterschaft begangen werden. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |
Nicht der Angeklagte, sondern sein Bruder war gefahren
Der Angeklagte war zusammen mit seinem Bruder, der den Pkw steuerte, zu einem mit einem Dritten vereinbarten Treffpunkt gefahren. Dort war der Bruder des Angeklagten auf diesen Dritten zugefahren. Der Angeklagte und sein Bruder hatten dabei in Kauf genommen, dass der Dritte tödliche Verletzten erleiden konnte. Dies entsprach dem Tatplan beider. Der Geschädigte konnte auf die Motorhaube des Pkw springen und sich abrollen; er blieb unverletzt und ergriff die Flucht.
Kein eigenhändiges Delikt
Die hier in Rede stehende Straßenverkehrsgefährdung gemäß Strafgesetzbuch (hier: § 315b Abs. 1 StGB) ist kein eigenhändiges Delikt, bei dem der Täter nur durch ein eigenes Handeln persönlich den Tatbestand erfüllen kann. Der BGH hat die Verurteilung auch des Angeklagten daher nicht beanstandet.
Das war der Tatbeitrag
Der Angeklagte hatte das Kraftfahrzeug zwar nicht eigenhändig geführt. Er hatte aber das Tatfahrzeug zur Verfügung gestellt, das Fahrziel vorgegeben und war während der Tatausführung im Fahrzeug anwesend. Er konnte zudem Einfluss auf die Handlungen seines Bruders nehmen und wies ein erhebliches Tatinteresse auf, nachdem er zuvor mit dem Geschädigten Beleidigungen und Bedrohungen ausgetauscht hatte.
Quelle | BGH, Beschluss vom 16.8.2023, 4 StR 227/23
Bußgeld: Wichtig: Selbstbeherrschung (nicht nur) im Straßenverkehr
| Ein Abschleppunternehmer schlug aus Wut auf die Motorhaube eines Polizeifahrzeugs. Sein Jähzorn machte alles noch schlimmer, wie ein Fall des Amtsgerichts (AG) Ellwangen zeigte. |
Das war geschehen
Der Inhaber eines Pannendienstes hatte sein Telefon in der Hand, während er privat mit seinem Pkw fuhr. Zwei Streifenbeamte zeigten ihn deswegen an. Ob sich das Telefon an Mund oder am Ohr befand, konnten die Beamten jedoch vor dem AG acht Monate später nicht mehr sagen.
So schilderten die Polizisten den Vorfall
Erinnern konnten sie sich aber daran, dass der Unternehmer aufgebracht war, die Tat als „Kleinigkeit“ bezeichnet hatte und geäußert hatte, er werde nie wieder Fahrzeuge für die Polizei abschleppen. Anschließend habe er wütend auf die Motorhaube des Streifenwagens geschlagen.
Daran erinnerte sich der Unternehmer (nicht)
Der Abschleppunternehmer meinte, evtl. sein Telefon in der Hand gehabt zu haben, um es an einer anderen Stelle zu platzieren. Zum Telefonieren hätte er seine Handyschutzhülle aufklappen und sein Smartphone durch Eingabe eines Codes entsperren müssen. Geld spiele keine Rolle, es solle jeder „seine Worte sprechen, wie es war“.
Das Amtsgericht fand deutliche Worte
Die Antwort des AG ließ nicht lange auf sich warten: Es verdoppelte die Regelgeldbuße auf 200 Euro. An der Glaubwürdigkeit der Polizisten hatte es keinen Zweifel. Es spreche sogar für die beiden, wenn sie sich nach acht Monaten nicht mehr an die Position des Handys beim Unternehmer erinnern konnten, wohl aber an die respektlosen Begleitumstände.
Polizeibeamte waren „überaus glaubhaft“
Wörtlich fuhr das AG fort: „Vom Jähzorn des Betroffenen, der sofort laut wird, wenn ihm ein Satz nicht genehm ist, konnte sich das Gericht in der Hauptverhandlung einen eigenen Eindruck verschaffen.“ Auch das führte dazu, dass es die Aussagen der Beamten zum Verhalten des Unternehmers als „überaus glaubhaft“ beurteilte. Bußgeld
Quelle | AG Ellwangen, Urteil vom 14.4.2023, 7 OWi 36 Js 5096/23
Vorfahrtverletzung: Wenn der Rennradfahrer auf der Straße fährt…
| Jedenfalls bei einer krassen Vorfahrtverletzung durch den Schädiger trifft den vorfahrtsberechtigten Rennradfahrer kein Mitverschulden, wenn er trotz vorhandenen Radwegs auf der Straße fährt. Daher hat das Landgericht (LG) Köln offengelassen, ob dem Rennradfahrer die Benutzung des kombinierten Geh- und Radwegs zumutbar war und ob das entsprechende Verkehrsschild für ihn sichtbar war. |
Entscheidend: Zurechnungszusammenhang
Hier war der sogenannte Zurechnungszusammenhang entscheidend, also der haftungsrechtliche Zusammenhang zwischen einer Handlung und einem Schaden. Dieser besteht immer, wenn der Eintritt des Schadens die spezifische Folge der Gefahren ist, vor denen die verletzte Vorschrift den Verkehr schützen will.
Krasser Verkehrsverstoß des Autofahrers
Hier hätte der Zurechnungszusammenhang zwischen dem verkehrswidrigen Verhalten eines Verkehrsteilnehmers und seiner späteren Beteiligung an einem Verkehrsunfall bestehen können. Dafür genügt es laut dem LG aber nicht schon, dass der Unfall ohne den Verkehrsverstoß vermieden worden wäre, weil der Verkehrsteilnehmer sich bei verkehrsordnungsgemäßer Fahrweise nicht an der Unfallstelle befunden hätte. Vielmehr muss sich in dem Unfall gerade die Gefahr erhöht haben, die zu vermeiden dem Verkehrsteilnehmer durch die in Frage stehende Norm aufgegeben war. Davon kann bei einem krassen Vorfahrtverstoß des Unfallgegners aber nicht ausgegangen werden. Denn die Straßenverkehrsordnung (hier: § 2 Abs. 4 S. 2 StVO) will typische Gefahrensituationen im gemischten Verkehr verhindern. Dazu gehört etwa die Gefährdung von Radfahrern mit nicht immer vermeidbarer schwankender Fahrlinie infolge zu großer Fahrzeugdichte und zu geringen Seitenabstands, nicht aber die Gefährdung durch vermeidbare Vorfahrtverstöße anderer Verkehrsteilnehmer.
Quelle | LG Köln, Urteil vom 23.10.2023, 15 O 424/21, Abruf-Nr. 239653 unter www.iww.de
Abschließende Hinweise
Berechnung der Verzugszinsen
| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |
Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2024 bis zum 31. Dezember 2024 beträgt 3,37 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:
- für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 8,37 Prozent
- für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 12,37 Prozent*
* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 11,37 Prozent.
Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).
Übersicht / Basiszinssätze | |
Zeitraum |
Zinssatz |
01.01.2024 bis 30.06.2024 |
3,62 Prozent |
01.07.2023 bis 31.12.2023 |
3,12 Prozent |
01.01.2023 bis 30.06.2023 |
1,62 Prozent |
01.07.2022 bis 31.12.2022 |
-0,88 Prozent |
01.01.2022 bis 30.06.2022 |
-0,88 Prozent |
01.07.2021 bis 31.12.2021 |
-0,88 Prozent |
01.01.2021 bis 30.06.2021 |
-0,88 Prozent |
01.07.2020 bis 31.12.2020 |
-0,88 Prozent |
01.01.2020 bis 30.06.2020 |
-0,88 Prozent |
01.07.2019 bis 31.12.2019 |
-0,88 Prozent |
01.01.2019 bis 30.06.2019 |
-0,88 Prozent |
01.07.2018 bis 31.12.2018 |
-0,88 Prozent |
01.01.2018 bis 30.06.2018 |
-0,88 Prozent |
01.07.2017 bis 31.12.2017 |
-0,88 Prozent |
01.01.2017 bis 30.06.2017 |
-0,88 Prozent |
01.07.2016 bis 31.12.2016 |
-0,88 Prozent |
01.01.2016 bis 30.06.2016 |
-0,83 Prozent |
01.07.2015 bis 31.12.2015 |
-0,83 Prozent |
01.01.2015 bis 30.06.2015 |
-0,83 Prozent |
01.07.2014 bis 31.12.2014 |
-0,73 Prozent |
01.01.2014 bis 30.06.2014 |
-0,63 Prozent |
01.07.2013 bis 31.12.2013 |
-0,38 Prozent |
01.01.2013 bis 30.06.2013 |
-0,13 Prozent |
01.07.2012 bis 31.12.2012 |
0,12 Prozent |
01.01.2012 bis 30.06.2012 |
0,12 Prozent |
01.07.2011 bis 31.12.2011 |
0,37 Prozent |
Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 08/2024
| Im Monat August 2024 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |
Steuertermine (Fälligkeit):
- Umsatzsteuerzahler (Monatszahler): 12.8.2024
- Lohnsteuerzahler (Monatszahler): 12.8.2024
- Gewerbesteuerzahler: 15.8.2024
- Grundsteuerzahler: 15.8.2024
Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.
Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 15.8.2024 für die Umsatz- und Lohnsteuerzahlung und am 19.8.2024 für die Gewerbe- und Grundsteuerzahlung. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.
Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):
Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat August 2024 am 28.08.2024.