Verkehrsrecht 06-2024

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 06/2024:

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Verkehrsrecht

Bundesgerichtshof: Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung bei Vorbeifahrt an einem Müllabfuhrfahrzeug

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über einen Fall entschieden, in dem eine Pkw-Fahrerin an einem Müllabfuhrfahrzeug vorbeifuhr und mit einem gerade entleerten Müllcontainer kollidierte. Der BGH hat in diesem Fall einen Verstoß der Fahrerin gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) bejaht. |

Das war geschehen

Die Klägerin, ein Pflegedienst, macht gegen einen für die Abfallwirtschaft zuständigen kommunalen Zweckverband Schadenersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend, bei dem eines ihrer Pflegedienstfahrzeuge beschädigt wurde. Eine Mitarbeiterin der Klägerin fuhr mit diesem Fahrzeug aus der Gegenrichtung kommend an einem Müllabfuhrfahrzeug des beklagten Zweckverbands vorbei, das mit laufendem Motor, laufender Schüttung und eingeschalteten gelben Rundumleuchten sowie Warnblinkanlage in der Straße stand. Dabei kam es zu einer Kollision des klägerischen Fahrzeugs mit einem Müllcontainer, den ein bei dem Beklagten angestellter Müllwerker hinter dem Müllabfuhrfahrzeug quer über die Straße schob.

Mit der Klage hat die Klägerin Erstattung der Fahrzeugreparaturkosten verlangt.

So sahen es die Vorinstanzen

Das Landgericht (LG) hat der Klage gegen den Beklagten unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50 zu 50 teilweise stattgegeben.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht (OLG) das Urteil des LG teilweise geändert und den Beklagten unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 75 (Beklagter) zu 25 (Klägerin) zu weiterem Schadenersatz verurteilt. Es ist dabei davon ausgegangen, dass der Fahrerin des Pkw kein Verstoß gegen die StVO anzulasten sei.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Die Revision des Beklagten hatte Erfolg. Das Urteil des OLG wurde aufgehoben und die Sache an das OLG zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten als Halter des Müllabfuhrfahrzeugs ein Schadenersatzanspruch gemäß StVO (hier: § 7) zu, da das Fahrzeug der Klägerin „bei dem Betrieb“ des Müllabfuhrfahrzeugs beschädigt worden ist. Die Gefahr, die von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht, ist dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs zuzurechnen.

Bei der Entscheidung über die Haftungsverteilung hat das OLG zu Recht dem Müllwerker einen schuldhaften Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vorgeworfen, weil er hinter dem Müllabfuhrfahrzeug einen Müllcontainer quer über die Straße schob, ohne auf den Verkehr und das Fahrzeug der Klägerin zu achten, welches für ihn hätte er den Müllcontainer nicht vor sich hergeschoben erkennbar gewesen wäre.

Allerdings ist entgegen der Ansicht des OLG auch der Mitarbeiterin der Klägerin als Fahrerin des Pkw ein Verstoß gegen die StVO vorzuwerfen.

Mit dem Verhalten des Müllwerkers konnte gerechnet werden

Das Hauptaugenmerk der mit dem Holen, Entleeren und Zurückbringen von Müllcontainern befassten Müllwerker ist auf ihre Arbeit gerichtet, die sie überwiegend auf der Straße und effizient, also in möglichst kurzer Zeit und auf möglichst kurzen Wegen, zu erledigen haben. Wer an einem Müllabfuhrfahrzeug vorbeifährt, das erkennbar im Einsatz ist, darf daher nicht uneingeschränkt auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der Müllwerker vertrauen. Er muss damit rechnen, dass Müllwerker plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortreten und unachtsam einige Schritte weiter in den Verkehrsraum tun, bevor sie sich über den Verkehr vergewissern. Auf diese mit dem Einsatz von Müllabfuhrfahrzeugen verbundenen Gefahren hat der vorbeifahrende Verkehrsteilnehmer sein Fahrverhalten einzurichten. Wenn es nicht möglich ist, einen ausreichenden Seitenabstand zu einem Müllabfuhrfahrzeug einzuhalten, um die Gefahr eines plötzlich auftauchenden Müllwerkers vor oder hinter dem Fahrzeug zu vermeiden, muss die Geschwindigkeit gemäß der Straßenverkehrsordnung (StVO) reduziert werden, sodass der Fahrer sein Fahrzeug bei Bedarf sofort zum Stillstand bringen kann.

Den dargelegten Anforderungen genügte die vom Berufungsgericht festgestellte Fahrweise der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs nicht. Bei einem Seitenabstand von maximal 50 cm zum Müllabfuhrfahrzeug war die Ausgangsgeschwindigkeit von 13 km/h zu hoch, als dass die Fahrerin das Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen hätte bringen können.

Quelle | BGH, Urteil vom 12.12.2023, VI ZR 77/23, PM 12/24

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Beweismittel: Schulungsnachweis für Auswerter einer Geschwindigkeitsmessung?

| Häufig wird für den Bediener eines Geschwindigkeitsmessgeräts ein Nachweis darüber verlangt, dass er in der Bedienung des Geräts ausreichend geschult ist. Fraglich ist, ob dieses Erfordernis auch für den „Auswerter“ einer Messung gilt. Das hat das Kammergericht Berlin (KG) verneint. |

Für die Auswertungsperson sei ein förmlicher Schulungsnachweis nicht zwingend erforderlich. Sie habe das Messgerät nicht bedient und Beweismittel weder beschafft noch verändert. Ob die mit der Auswertung der Messdaten betraute Person ihre Aufgabe kompetent und zuverlässig erfüllt habe, unterliege vielmehr der freien richterlichen Beweiswürdigung. Es greife im Grundsatz auch ohne Formalnachweis die Richtigkeitsvermutung standardisierter Messverfahren.

Quelle | KG, Urteil vom 18.9.2023, 3 ORbs 170/23 – 162 Ss 85/23, Abruf-Nr. 238704 unter www.iww.de

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Medizinisch-Psychologische Untersuchung: Entziehung der Fahrerlaubnis

| Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist für jeden Autofahrer ein einschneidendes Ereignis. In einem Fall des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) war es aufgrund mehrerer Straftaten und einer anschließenden Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) dazu gekommen. |

Fahrerlaubnisentzug nach Medizinisch-Psychologischer Untersuchung

Die Verwaltungsbehörde hatte dem Autofahrer die Fahrerlaubnis im Juni 2022 entzogen. Grundlage war ein MPU-Gutachten. Dieses war auf der Grundlage mehrerer aktenkundiger Straftaten im Zeitraum 2012 bis 2019 zu dem Ergebnis gekommen, dass es zu erwarten sei, dass der Betroffene erneut erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche/strafrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Im Widerspruchsverfahren teilten die Bevollmächtigten mit, der Betroffene wolle sich einer weiteren Begutachtung der bisherigen Begutachtungsstelle unterziehen. Daraufhin forderte die Antragsgegnerin ihn auf, binnen drei Monaten ein MPU-Gutachten vorzulegen. Dieses aber legte er nicht vor.

Autofahrer vor Gericht ohne Erfolg

Der Antrag des Betroffenen gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis hatte weder beim Verwaltungsgericht (VG) in erster Instanz noch beim BayVGH in zweiter Instanz Erfolg. Bei feststehender Ungeeignetheit sei die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend. Die Fahrerlaubnisbehörde habe keinen Ermessensspielraum. Dies gelte auch bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens.

Der Autofahrer könne sich auch nicht darauf berufen, mit der erneuten Begutachtungsanordnung habe die Verwaltungsbehörde zum Ausdruck gebracht, das vorliegende Gutachten sei nicht mehr in der Weise verwertbar, dass es eine abschließende Entscheidung über die Fahreignung erlaubte. Der insoweit angeführten BayVGH-Entscheidung aus dem Jahr 2021 hat eine andere Fallgestaltung zugrunde gelegen. Dort sei das ursprüngliche Gutachten nach mehr als viereinhalb Jahren nicht mehr aktuell und belastbar gewesen. Das sei hier aber nicht der Fall das der Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten stamme aus 2022.

Quelle | BayVGH, Beschluss vom 10.10.2023, 11 CS 23.1476, Abruf-Nr. 238183 unter www.iww.de

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Verkehrsstrafen: Doppeltes Fahrverbot bei doppeltem Verkehrsverstoß

| Das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Fahrverbot ist auch dann festzusetzen, wenn gegen den Autofahrer bereits ein Fahrverbot wegen einer ähnlich gelagerten, kurz zuvor begangenen, Ordnungswidrigkeit vollstreckt wurde. |

Nach den Feststellungen des Gerichts in einem Bußgeldverfahren hielt der betroffene Pkw-Führer fahrlässig den erforderlichen Mindestabstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug nicht ein. Der Abstand betrug nach den Feststellungen des Amtsgerichts weniger als 3/10 des halben Tachowertes. Etwa sechs Wochen vor diesem Verstoß hatte der Autofahrer an derselben Messstelle ebenfalls den Mindestabstand unterschritten. Deswegen war gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt worden. Dieses Fahrverbot hatte der Autofahrer im Zeitpunkt der nun durchgeführten Hauptverhandlung bereits vollständig verbüßt.

Das AG verhängte nach durchgeführter Beweisaufnahme gegen den Autofahrer wegen der Abstandsunterschreitung ein Bußgeld nebst einem weiteren Fahrverbot von einem Monat. Dass der Autofahrer in der Zwischenzeit bis zur Verhandlung bereits ein Fahrverbot wegen einer kurz zuvor an derselben Stelle begangenen Abstandsunterschreitung verbüßt hatte, sei kein ausreichender Grund, von dem weiteren Fahrverbot abzusehen.

Das Fahrverbot solle als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme für den jeweiligen Verkehrsverstoß auf den Betroffenen spezialpräventiv wirken. Diese Funktion werde unterlaufen, wenn von dem Fahrverbot abgesehen werde. Der Autofahrer sei durch die getrennte Ahndung der beiden Verkehrsverstöße auch nicht schlechter gestellt. Zwar hätte bei einer gemeinsamen Aburteilung der beiden Verstöße nur ein Fahrverbot festgesetzt werden können. Wegen der besonders beharrlichen Neigung des Autofahrers, Verkehrsregeln zu überschreiten, wäre in diesem Fall aber allein ein zweimonatiges Fahrverbot tat- und schuldangemessen gewesen.

Quelle | AG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.11.2023, 971 OWi 916 Js 59363/23, PM 2/24

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Abschließende Hinweise

Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 06/2024

| Im Monat Juni 2024 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer (Monatszahler): 10.6.2024
  • Lohnsteuer (Monatszahler): 10.6.2024
  • Einkommensteuer (vierteljährlich): 10.6.2024
  • Kirchensteuer (vierteljährlich): 10.6.2024
  • Körperschaftsteuer (vierteljährlich): 10.6.2024

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 13.6.2024. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Juni 2024 am 26.6.2024.

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Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2024 bis zum 30. Juni 2024 beträgt 3,62 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 8,62 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 12,62 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 11,62 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.07.2023 bis 31.12.2023

3,12 Prozent

01.01.2023 bis 30.06.2023

1,62 Prozent

01.07.2022 bis 31.12.2022

-0,88 Prozent

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

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Verkehrsrecht Rechtsanwalt Thomas Brunow Bester Anwalt Fahrverbot

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Thomas Brunow – Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in Berlin Mitte – Kanzlei Prof. Dr. Streich & Partner in Berlin und Brandenburg –  Er ist spezialisiert im Verkehrsrecht und vertritt seine Mandanten ausschließlich in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten. Rechtsanwalt Thomas Brunow ist Vertrauensanwalt des Volkswagen – Audi Händlerverbandes im Verkehrsrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Seine Schwerpunkte sind

Schadenregulierungen nach Verkehrsunfällen

Verteidigung bei Verkehrsstrafsachen (Trunkenheitsfahrt, Fahrerfluch, Nötigung, Körperverletzungen etc.)

Verteidigung in Bußgeldverfahren (Geschwindigkeitsverstoß, Rotlichtverstoß, Fahrtenbuchauflage etc.)