Anforderungen an die Messung von einem Rotlichtverstoß: Entscheidung des OLG Köln

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat in einem Beschluss vom 29. November 2024 wesentliche Maßstäbe zur Verwertung von Messergebnissen bei einem Rotlichtverstoß klargestellt. Im Mittelpunkt stand die Überwachungsanlage des Typs Traffipax Traffiphot III und die Frage, wie die ermittelten Rotlichtzeiten rechtlich zu bewerten sind, insbesondere wenn diese nicht direkt an der Haltelinie gemessen werden.

Hintergrund des Verfahrens

Das Amtsgericht Aachen hatte eine 72-jährige Betroffene wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoß es zu einer Geldbuße von 200 Euro sowie einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Der Vorwurf basierte auf der Messung einer Rotlichtdauer von 1,01 Sekunden, die die Betroffene beim Überfahren der Haltelinie überschritten haben soll. Gemessen wurde der Verstoß mit einer Überwachungsanlage des Typs Traffipax Traffiphot III.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte die Betroffene die Haltelinie bei Rotlicht überfahren und anschließend die Kreuzung vollständig durchquert. Die Betroffene legte jedoch Rechtsbeschwerde ein und machte geltend, dass das Urteil nicht den Anforderungen an die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes genüge.

Die Messmethode und ihre Problematik

Die Überwachungsanlage Traffipax Traffiphot III misst für den Rotlichtverstoß die Rotlichtdauer nicht direkt an der Haltelinie, sondern erst ab dem Überfahren der ersten Induktionsschleife, die sich einige Meter hinter der Haltelinie befindet. Das erste Beweisfoto zeigt die Rotlichtzeit an, die beim Überfahren dieser Schleife gemessen wurde. Um die tatsächlich relevante Rotlichtdauer – nämlich die Zeit, die beim Überfahren der Haltelinie vorliegt – zu bestimmen, ist eine Rückrechnung erforderlich. Diese Rückrechnung muss unter Berücksichtigung der Geschwindigkeit des Fahrzeugs sowie der Distanz zwischen Haltelinie und Schleife erfolgen.

Das Amtsgericht hatte eine solche Rückrechnung vorgenommen und festgestellt, dass die Betroffene die Haltelinie bei einer Rotlichtdauer von 1,01 Sekunden überschritten hatte. Es stützte sich dabei auf Berechnungen, die jedoch im Urteil nicht hinreichend nachvollziehbar dargelegt wurden.

Entscheidung des OLG Köln

Das OLG Köln hob das Urteil des Amtsgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Dabei stellte es fest, dass die Urteilsgründe den Anforderungen an die Beweiswürdigung für einen Rotlichtverstoß nicht genügten. Das Gericht führte aus:

  1. Standardisiertes Messverfahren: Die Messung mit der Überwachungsanlage Traffipax Traffiphot III ist als standardisiertes Messverfahren anerkannt. Dies bedeutet, dass bei korrekter Durchführung und Auswertung der Messung grundsätzlich keine weiteren Darlegungen zur technischen Zuverlässigkeit erforderlich sind.
  2. Notwendigkeit der Rückrechnung: Wenn die Rotlichtzeit nicht direkt an der Haltelinie gemessen wird, ist eine Rückrechnung erforderlich. Nur so kann die vorwerfbare Rotlichtdauer bestimmt werden. Diese Rückrechnung muss im Urteil nachvollziehbar dargestellt werden. Insbesondere ist anzugeben:
    • Wie wurde die Fahrzeit zwischen Haltelinie und erster Induktionsschleife berechnet?
    • Welche Geschwindigkeit des Fahrzeugs wurde zugrunde gelegt?
    • Wurden Sicherheitsabschläge oder Toleranzen berücksichtigt?
  3. Fehlende Transparenz der Berechnungen: Im vorliegenden Fall verwies das Amtsgericht lediglich pauschal auf „Berechnungen“ in der Akte, ohne darzulegen, wer diese Berechnungen durchgeführt hat und auf welcher Grundlage sie basieren. Auch blieb unklar, ob die sogenannte Lampenverzögerungszeit (die Verzögerung zwischen Einschalten der Lampe und sichtbarem Aufleuchten) berücksichtigt wurde. Diese kann die vorwerfbare Rotzeit um bis zu 0,3 Sekunden verringern.
  4. Knappheit der Rotlichtzeit: Da die Betroffene die Haltelinie nur knapp bei einer Rotzeit von 1,01 Sekunden überfahren haben soll, ist eine präzise und transparente Rückrechnung von besonderer Bedeutung. Die Annahme eines qualifizierten Rotlichtverstoßes mit der Folge eines Fahrverbots erfordert, dass alle Berechnungen lückenlos nachvollziehbar sind.

Konsequenzen

Das OLG Köln machte deutlich, dass die Rückrechnung der Rotlichtdauer nicht nur eine Formalität ist, sondern einen zentralen Bestandteil der Beweiswürdigung darstellt. Das Amtsgericht wird sich nun erneut mit dem Fall befassen müssen. Ein Sachverständiger wird hinzugezogen, um die Berechnungen detailliert und nachvollziehbar darzulegen.

Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Köln unterstreicht die hohen Anforderungen, die an die Beweiswürdigung bei qualifizierten Rotlichtverstößen gestellt werden. Sie schützt Betroffene vor einer vorschnellen Verurteilung, die auf unzureichend dokumentierten Messungen basiert. Gleichzeitig verdeutlicht das Urteil die Verantwortung der Gerichte, standardisierte Messverfahren korrekt anzuwenden und gegebenenfalls Rückrechnungen umfassend zu begründen.

Für die Praxis bedeutet dies, dass bei der Nutzung von Messgeräten wie Traffipax Traffiphot III stets darauf zu achten ist, dass die relevanten Parameter und Berechnungen vollständig offengelegt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Schwelle zum qualifizierten Verstoß nur knapp überschritten wurde. Auch andere Gerichte sehen das Messgerät kritisch.

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