Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung: Wann wird es wirklich ernst?
22 km/h zu schnell und schon vorsätzlich? Das Urteil des OLG Zweibrücken räumt auf!
Kann eine Geschwindigkeitsüberschreitung von „nur“ 22 km/h wirklich vorsätzlich sein? Was manche als Lappalie abtun würden, führte in einem kürzlich entschiedenen Fall zu einer Geldbuße – das Amtsgericht sah Vorsatz. Doch das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) belehrte: Ein solcher Vorsatz ist in der Praxis keineswegs so einfach anzunehmen. Lesen Sie weiter, um zu verstehen, wann Gerichte wirklich von einem vorsätzlichen Verkehrsverstoß ausgehen und welche konkreten Anhaltspunkte dabei relevant sind.
Der Fall: Geringe Übertretung, harte Konsequenzen
Der betroffene Fahrer war auf der A6 unterwegs und überschritt im Bereich einer Baustelle das Tempolimit von 60 km/h um 22 km/h. Das Amtsgericht sah hierin Vorsatz und verhängte eine Geldbuße wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung. Der Fahrer legte Einspruch ein, da er das Tempolimit schlicht übersehen habe. Das OLG Zweibrücken gab ihm recht und hob das Urteil des Amtsgerichts auf.
Die Frage lautete: Hatte das Amtsgericht wichtige Aspekte übersehen? Das OLG urteilte, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 22 km/h nicht automatisch als vorsätzlich anzusehen sei.
Warum das OLG den Vorsatz bei 22 km/h Überschreitung infrage stellte
Das OLG stellte fest: Eine bloße Überschreitung reicht nicht, um Vorsatz zu unterstellen. Ein Fahrer bemerkt eine Differenz zwischen 60 und 82 km/h nicht zwangsläufig an Motorengeräusch oder Fahrzeugvibration. Insbesondere in Baustellen, wo zusätzliche Fahrbahngeräusche und Verkehrsbewegungen ablenken, sei es schwer, eine solche Geschwindigkeitsdifferenz wahrzunehmen. Anders sieht es bei einer drastischeren Differenz aus – etwa von 60 auf 100 km/h. Das OLG betonte, dass bei geringen Überschreitungen wie diesen klare Hinweise erforderlich sind, um Vorsatz anzunehmen.
Warum pauschale Annahmen nicht ausreichen
Das Amtsgericht argumentierte, dass die Baustellenbeschilderung und die Staffelung der Tempolimits (100 km/h, 80 km/h, 60 km/h) deutlich sichtbar waren und der Betroffene diese hätte wahrnehmen müssen. Laut dem Gericht habe der Fahrer die Überschreitung bewusst in Kauf genommen. Das OLG korrigierte jedoch: Solche pauschalen Annahmen reichen nicht. Es bedarf klarer Indizien, dass der Betroffene die Begrenzung tatsächlich bewusst ignoriert hat. Eine Übertretung von weniger als 40 % über der erlaubten Geschwindigkeit sei nicht ohne weiteres als vorsätzlich zu bewerten – der betroffene Fahrer lag mit 22 km/h knapp darunter.
Was dieses Urteil für die Praxis bedeutet
Das OLG-Urteil hat Auswirkungen auf die Praxis und zeigt, dass eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung nur bei eindeutigen Anhaltspunkten angenommen werden kann. Insbesondere bei Überschreitungen unterhalb der 40 %-Marke brauchen Gerichte spezifische Hinweise, um Vorsatz festzustellen. Das Urteil legt somit den Maßstab höher und stärkt die Rechte von Fahrern, die versehentlich kleinere Überschreitungen begehen.
Fazit: Vorsatz ist kein Automatismus bei Geschwindigkeitsüberschreitungen
Das Urteil des OLG Zweibrücken setzt ein klares Zeichen: Nicht jede Geschwindigkeitsüberschreitung darf als vorsätzlich eingestuft werden. Für Übertretungen unter der 40 %-Grenze braucht es eindeutige, konkrete Indizien. Das OLG stärkt mit dieser Entscheidung die Rechte von Autofahrern und fordert Gerichte auf, genau hinzusehen, bevor sie eine vorsätzliche Verurteilung aussprechen.
Dieses Urteil kann Ihre Verteidigung stärken und liefert einen klaren Leitfaden für Autofahrer und Rechtsanwälte: Bei geringfügigen Überschreitungen ist Vorsicht geboten, und Gerichte dürfen Vorsatz nicht leichtfertig annehmen.