Vorsatz?

Kann aus einer 100%igen Geschwindigkeitsüberschreitung immer auf Vorsatz geschlossen werden?

Bei der Festsetzung einer Geldbuße für eine Geschwindigkeitsübertretung kommt es in einigen Fällen darauf an, ob diese vorsätzlich oder nur fahrlässig begangen wurde. So ist in § 3 Abs. 4a der Bußgeldkatalog-Verordnung bestimmt, dass Geldbußen von mehr als 55 € bei vorsätzlicher Begehung verdoppelt werden.

Wie sich die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung auf den Vorsatz auswirkt ist dabei in der Rechtsprechung umstritten. Insbesondere die Frage des Vorsatzes bei einer innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 40 % ist in der Rechtsprechung umstritten. So ist das OLG Braunschweig in seinem Beschluss vom 08.12.2015 (1 Ss (Owi) 163/15) der Meinung, dass eine 100%ige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit immer ausreicht um von vorsätzlichem Handeln auszugehen. Im vorliegenden Fall ging es um eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit in einer 30er Zone um 32km/h. Der daraus gefolgerte Schluss auf den Vorsatz sei nicht zu beanstanden, wenn keine weiteren Umstände vorliegen. Dem Kammergericht reicht in der Regel allerdings bereits eine 50 % – ige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (Beschluss vom 15.04.2005 – 2 Ss 56/05).

Anders sah es hingegen das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 08.01.2016 – IV-3 RBs 132/15). Dieses hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Fahrer innerorts auf einer 4 spurigen Straße statt der erlaubten 50km/h mit 106km/h gemessen wurde. Auch hier hatte das Amtsgericht zunächst wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Das OLG hob dieses Urteil auf. Es sah den Vorsatz aus den Angaben des Amtsgerichts zur Tageszeit und dem Ausbau der Straße als nicht ausreichend um zusammen mit der Geschwindigkeitsüberschreitung einen Vorsatz zu begründen. An dieser Stelle muss wohl betont werden, dass durchaus besondere Umstände vorlagen, die gegen die Annahme von Vorsatz sprachen. Insbesondere die Tatsache, dass der Verstoß vorliegend auf einer gut ausgebauten vierspurigen Straße stattfand. Hier hatte das Amtsgericht zudem versäumt, weitere Ausführungen zu machen, die den Schluss auf eine vorsätzliche Begehung zugelassen hätten.

Richtigerweise ist festzustellen, dass die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung für die Beurteilung des Vorsatzes mit heranzuziehen ist. Von einer festen prozentualen Grenze sollte jedoch nicht ausgegangen werden, obschon sich dies in der Rechtsprechung etabliert hat. Der Vorsatz muss immer positiv festgestellt werden und darf sich nicht in dem pauschalen Verweis auf die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung erschöpfen.

Es bleibt festzustellen, dass aufgrund der unterschiedlichen Rechtsprechung keine genaue Angabe gemacht werden kann, ab welcher Überschreitung von Vorsatz ausgegangen wird. Vielmehr ist es immer eine Sache der Gesamtumstände des Einzelfalls. Je höher jedoch die Geschwindigkeitsüberschreitung ist, desto eher spricht dies auch für vorsätzliches handeln. Das OLG Hamm beschreibt die Frage, wann Vorsatz anzunehmen ist sehr praxisnah: „Allein aus dem Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung kann nicht auf vorsätzliches Verhalten geschlossen werden. Zwar kann das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung ein Indiz für vorsätzliches Verhalten sein, jedoch ist hierbei auch die konkrete Verkehrssituation zu berücksichtigen.“ (Beschluss vom 18.12.2012 – III-1 RBs 166/12)

Gerne stehen wir Betroffenen jederzeit für eine unverbindliche erste Beratung zur Verfügung.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Thomas Brunow – Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in Berlin Mitte – Kanzlei Prof. Dr. Streich & Partner

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